Ein Interview mit der wunderbaren Illustratorin Rán Flygenring

++über die Entstehung von Maulina, einem italienischen Frosch, dunkler Schokolade und über das Zeichnen selbst++

Wie begann deine Karriere als Illustratorin?

Ich habe schon immer gezeichnet und illustriert, schon während meiner Kindheit. Ich habe davon geträumt, mein Leben mit dem Geschichtenerzählen zu verbringen, visuell kreativ arbeiten zu können. Mit dem Zeichnen konnte ich meine Kreativität und meine eigene Form der Kommunikation ausdrücken, das bedeutete mir viel, aber ich hätte nie wirklich gewagt, daran zu glauben, dass ich damit eine professionelle Karriere starten könnte.

   Bevor ich also mit dem Illustrieren begann, habe ich Design in Reykjavik studiert und meinen Bachelor in Grafikdesign abgeschlossen. Danach habe ich in den Bereichen Branding und Buchdesign in einem kleinen Design Studio gearbeitet. Ich habe an kleinen Illustrationsprojekten und Aufträgen gearbeitet, auch während meines Studiums. Dann, nach und nach, bekam ich endlich mehr Illustrationsaufträge und konnte also mehr Zeit mit dem Zeichnen verbringen. Kurz nachdem ich mich dazu entschlossen hatte, nicht mehr als angestellte Designerin zu arbeiten, begann ich meine eigenen Projekte als Illustratorin durchzuführen.


Was ist für Dich das Besondere am Illustrieren?

Es erfreut mich immer sehr, wenn die Zeichnungen ihr Eigenleben entwickeln. Beziehungsweise fühlt es sich zumindest so an. Das passiert, wenn ich sehr konzentriert bin, ohne zu absichtsvoll zu sein. Etwa sehr früh am Morgen. Kaum halte ich meinen Stift, erscheinen die Zeichnungen auf dem Papier und ich kann nicht anders, als darüber zu lachen, was manchmal bei diesem Vorgang herauskommt.


Also kannst du gar nicht wirklich kontrollieren, was du illustrierst?

Natürlich kann und mache ich das. Ich kenne meine Hauptkonzepte und Ideen und ich habe eine gute Vorstellung auf das, was ich mit meinen Illustrationen kommunizieren möchte. Ich weiß relativ genau, wie ich das tun kann. Aber es ist nicht wirklich eine Kontrolle, die über das Gehirn funktioniert und bei der ich mir zuvor jedes Detail überlege. Es ist eine andere Kontrolle, die eher fließend verläuft.


Wie war es für dich das erste Mal Maulina zu lesen?

Bevor ich Maulina gelesen hatte, kannte ich schon ungefähr die Handlung und die Charaktere, da Finn und ich darüber diskutiert und geredet hatten. Aber den Text zum ersten Mal zu lesen, hat immer etwas Magisches an sich und dadurch entpuppten sich schon die ersten visuellen Assoziationen in meinem Kopf. Dadurch tauchte ich Stück für Stück mehr in die Geschichte ein.

    Ich weiß noch: den Text bekam ich, als ich gerade in einer winzigen Stadt im Norden Venedigs wohnte. Ich musste 15km mit dem Fahrrad zur nächsten Stadt fahren um die Geschichte auszudrucken. Und dann musste ich sogar wieder zurückfahren, um es zu lesen. Es war ein sonniger Tag und ich entschloss mich dazu, das Manuskript an einem Bach in der Nähe meines Hauses zu lesen. Ich bin barfuß gelaufen, um meine Beine im Wasser baumeln zu lassen. Und da saß ich also und las die ersten Kapitel und hatte erst als ich gehen wollte bemerkt, dass ein riesiger Frosch aus Angst fast unter meinem Oberschenkel hervor hüpfte. Wir hatten die Anwesenheit des anderen nicht einmal bemerkt!


Du hast ja das Manuskript auf Deutsch erhalten. Wie war es, den Text auf einer anderen Sprache zu lesen?

Auf Deutsch zu lesen, ist normalerweise ganz gut machbar, allerdings gibt es natürlich viele Wörter, die ich nachschlagen muss. Manchmal ist das ein bisschen frustrierend, dass ich das Lesen stoppen muss, um ein Wort nachzuschauen, vor allem dann, wenn die Geschichte gerade spannend ist. Meistens lese ich den Text recht schnell, ohne ein Wort nachzuschlagen, um ein Gefühl für die Geschichte zu bekommen. Dann lese ich den Text noch einmal genauer durch und verwende dabei ein Wörterbuch. Finn benutzt oft Wörter, die durch seinen Klang selbsterklärend sind, wie zum Beispiel knarzen und kreischen, brüllen und Lulatsch. Dann habe ich manchmal das Gefühl eine Wortbedeutung zu kennen ohne das eigentlich wirklich zu tun. Dadurch entstehen auch manchmal Fehler bei den Zeichnungen.


Wie sehen solche Fehler konkret aus?

Es gab diese eine Zeichnung im zweiten Band, an die ich mich erinnere. Ich zeichnete Maulina und Paul neben einem Baum, an einem See sitzend. Irgendwie habe ich aber die ganze Situation falsch verstanden und die beiden sollten eigentlich auf einem Ast sitzen! Ich weiß nicht, wie dieses Missverständnis zustande kam, ich glaube aber, dass mich das Wort „Trauerweide“ verwirrt hat. Mittlerweile gehört das übrigens zu meinen Lieblingswörtern der Deutschen Sprache. Es ist so melancholisch und schön!


Was waren deine Arbeitsprozesse als Du Maulina illustriert hast?

Am Anfang, als Maulina eine Idee, aber noch kein geschriebener Text war, fertigte ich erste grobe Skizzen von ihr und von Mauldawien an. Das ist ein guter Referenzpunkt um anzufangen. Dann bekam ich das Manuskript von Finn und das Anschauungsmaterial wurde immer klarer. Ich habe viel an den Charakteren gearbeitet, vor allem an Maulina selbst, um ihre Persönlichkeit und ihr Stil herauszuarbeiten. Eine Freundin von mir besitzt Theatererfahrungen und kennt sich auch gut mit Charakterentwicklungen auf der Bühne aus. Sie hat mir dabei geholfen, Maulinas Art und Weise zu laufen und zu reden herauszufinden, und eben auch wie sie sich innerhalb eines Raumes bewegt, wie sie lacht, wie sie weint. So konnte ich sie gut kennenlernen.

    Dann ging es nur noch darum zu zeichnen und zu zeichnen und zu zeichnen. Es ist am leichtesten, wenn ich dabei das Denken abschalte und mich wirklich nur aufs Zeichnen konzentriere ohne dabei ans Ergebnis zu denken und ins Zweifeln zu geraten.

    Sobald dann alles zusammengetragen wird, arbeiten Finn und ich zusammen und unsere Redakteure und Verleger sind bei diesem Arbeitsschritt involviert, sodass letztendlich vieles verändert werden muss – Zeichnungen, die nicht passen, Wörter, die ich falsch geschrieben habe, Zeichnungen, mit denen irgendeiner von uns nicht einverstanden ist, das passiert eben.


Gab es Probleme beim Illustrieren von Maulina?

Es war eine ziemliche Herausforderung dieses große Projekt anzudenken und zu bewältigen. An drei Bänden dran zu bleiben und aber von Anfang an wichtige Entscheidungen für alle drei Bände zu treffen, gleichzeitig aber offen für Entwicklungen zu sein – das war herausfordernd für mich.

Es gibt viele Dinge, bei denen ich erst hinterher realisiert habe, wie ich sie hätte gestalten können. Aber so ist es nun einmal immer und es ist ein Lernprozess. Das schätze ich auch sehr.


Wie lange hast du gebraucht um einen Charakter zu vollenden?

Es hört nie auf! Alle Charaktere verändern sich, wie es auch mit wirklichen Menschen ist. Ich werde nie mit ihnen fertig werden. Damit meine ich nicht, dass die Charaktere mehr Arbeit brauchen, sondern dass sie sich durch die Zeit immer weiterverändern. So wie unsere Gedanken über die Charaktere sich wandeln aufgrund unserer eigenen Erfahrungen, lernen wir sie besser zu verstehen, oder anders zu verstehen. Deshalb werde ich nie vollkommen fertig sein mit den Charakteren.


Wie kam es dazu, dass verschiedene Farbspektren pro Band benutzt worden sind?

Die Farben wurden ausgesucht, um eine bestimmte Stimmung und verschiedene Zeitabschnitte wiederzugeben. Sie haben aber auch den rein praktischen Grund, die drei Bände voneinander zu unterscheiden. Von Anfang an hatte ich, hatten wir das Gefühl, dass Maulina etwas anderes werden sollte als ein farbiges Bilderbuch. Es bräuchte etwas, das in die Richtung einer Graphic Novel geht, um die Botschaft und die Geschichte besser wiederzugeben. Wir entschieden uns also, nur eine Farbe pro Band zu nehmen, um dieses Gefühl zu übermitteln.


Wie ist es, mit Finn zu arbeiten?

Im Endeffekt bin ich sehr frei, das zu tun, was auch immer mir gerade einfällt. Wichtig ist auch zu wissen, dass Finn viele, viele Illustrationsideen und –Vorschläge in den Text schreibt, und eben auch, wenn ganze Kapitel illustriert werden sollen. Zum Beispiel die ganzen Rezepte, die verschiedenen Anweisungen und die Kapitel, die im Comic-Stil sind. Er schreibt und hat dabei meine Arbeit immer im Hinterkopf und das ist wirklich perfekt und macht Freude. Ich denke, dass auf eine Art und Weise unsere Welten, also meine visuelle und Finns geschriebene, einander ziemlich ähneln. Zum Glück! Dadurch verläuft die Kommunikation ziemlich harmonisch.


Maulst du manchmal? Und wenn ja, weshalb?

Manchmal „maule“ ich, ja. Es passiert nicht wirklich oft, aber wenn manchmal bestimmte Dinge nicht funktionieren, spezielle „ausgefuchste“ technische Dinge, dann erwacht in mir ein großer Mauler. Tatsächlich hilft Kakao immer, aber eigentlich reicht es mir auch, dunkle Schokolade zu essen.